Burnout - die Massenerkrankung bei Pflegekräften

Keiner möchte es sich eingestehen, aber das Thema „Burnout“ ist fest in unsere Arbeitswelt integriert. Viele winken ab, bei der Frage, ob sie selbst betroffen sind. Jedoch ist es für manche die bittere Realität. Maria August ist eine dieser Betroffenen und sie gewährt einen exklusiven Einblick wie sie mit der Diagnose lebt, welche Symptome einen Burnout erkennbar machen und wie man es rechtzeitig Einbremsen kann.

 

Immer alles geben, was man kann, nach diesem Motto lebt Maria August. Sie griff ihren Kollegen gerne unter die Arme, sei es durch Schichtwechsel oder bei Projekten in der Klinik. Auch zuhause managte sie ihre Großfamilie bereitwillig. Es machte sie glücklich, wenn sie Anerkennung für ihr eifriges Engagement bekam. Maria wollte höher hinaus und wechselte deswegen auf die Intensivstation. Des Weiteren besuchte sie Fortbildungen und ließ sich zur Fachkraft ausbilden. Die Bemerkung ihres Mannes, dass sie mal als die bestausgebildete Krankenschwester ins Grab steigen würde, hatte einen bitteren Beigeschmack. Wie nah sie am Rande der Erschöpfung war, dass wurde ihr im Juli 2004 bewusst, nach ihrem ersten Zusammenbruch. Die Diagnose: Burnout.

 

Burnout als Form des Protests

 

Die Zahl der Krankheitstage von Erwerbstätigen, aufgrund von psychischen Erkrankungen, steigt laut dem Gesundheitsreport der Betriebskassen von 2010, seit 2004 kontinuierlich an. Bereits 14,4 Prozent aller Fehltage sind auf diese Erkrankungen zurückzuführen. Sehr alarmierend ist, dass die Betroffenen immer jünger erkranken. Nicht nur Mittvierziger, die voll im Leben stehen, sondern auch 20-jährige zeigen erste Symptome. Besonders betroffen sind diejenigen, die in ihrem beruflichen Leben alles geben, sehr leistungsorientiert sind und nach Anerkennung streben.

Das objektiv nicht messbare „Burnoutsyndrom“ ist schwer zu definieren.

Dr. Volker Schmiedel, Chefarzt der Inneren Abteilung der Habichtswald-Klinik in Kassel, welche auf Ganzheitsmedizin und Naturheilkunde spezialisiert ist, hat einen Ratgeber geschrieben in welchem er die Erkrankung wie folgt beschreibt: „Burnout ist eine Form des Protests gegen Ungleichgewicht im Organismus. Eine andere Form wäre ein Magengeschwür oder ein Herzinfarkt.“ Ein Burnout verläuft schleichend und kann sich auf Körper, Geist und Seele auswirken. Die Symptome reichen von Kopfschmerzen über Entscheidungsschwäche, bis hin zur Nervosität und depressiven Verstimmungen.

Daher liegt der Gedanke nahe, dass vor allem Pflegekräfte, durch ihre schwierigen Arbeitsbedingungen schnell ins Ungleichgewicht geraten. Eine Umfrage, in der gefragt wurde, ob man es mit den schwierigen Bedingungen, die mit dem Beruf einhergehen schafft, eine emotionale Balance zu halten, ergab, dass 98 von 225 Teilnehmern zugaben, Schwierigkeiten damit zu haben.

Hingegen 105 der Teilnehmer gaben an, dass sie es schafften und 27 der Pflegekräfte wollten sich nicht festlegen. Eine der Teilnehmerinnen schrieb: „Nach außen hin geht es einigermaßen, aber wie es im Inneren aussieht, ahnen die Wenigsten.“

Es ist vor allem wichtig, dass das Burnoutsyndrom nicht zu verwechseln ist mit einer körperlichen Erschöpfung oder einer Depression. Auch wenn es viele Gemeinsamkeiten gibt, so ist das Burnout eher die Schnittmenge zwischen den Symptomen, so Dr. Schmiedel.

Hans Selye teilte den Verlauf in seinem „Drei-Phasen-Modell“ in drei Stadien ein. Das allgemeine Adaptionssyndrom ist die Anpassung der Organismus an eine Stresssituation wird laut Selye in folgende drei Phasen unterteilt. Zuerst die Alarmreaktion. In diesem Stadium wird die besondere Belastung vom Betroffenen wahrgenommen. Oft ist der Betroffene durch eine Überstimulierung und der Ausschüttung von Adrenalin sehr leistungsfähig. Danach folgt das Widerstandsstadium. Hier gewöhnt und passt sich der Betroffene an die Belastung an. Zuletzt tritt das Erschöpfungsstadium ein. Wie der Name es aussagt, erfolgt eine Ermüdung, da der Organismus überlastet ist. Beobachten wurden unter anderem Angstzustände, Depressionen und frühzeitiges Altern.

 

Wenn der Bogen überspannt

 

Am Beispiel von Maria August ist zu sehen, dass auch sie alle drei Phasen durchlaufen ist. Sie erklärte, dass sie ihre „Lebens-Kerze“ nicht nur an einer, sondern an zwei Seiten angezündet hat, in dem Glauben, dass sie dadurch mehr Leistung bringen könnte. Maria erkannte, dass sie damit ihre Möglichkeiten viel schneller erschöpft hatte und ihre Leistungsfähigkeit nachließ. Die Arbeitsbedingungen in der Klinik seien nicht der Grund für ihre Erkrankung, betonte sie: „Sonst hätten ja alle Pfleger ein Burnout.“ Viel mehr sind es fest verankerte Persönlichkeitsmerkmale eines jeden Einzelnen, die einen für die Erkrankungen prädestinieren können. Die Jagd nach Anerkennung, war der Auslöser in Marias Fall, denn je mehr sie sich fortbildete und desto engagierter sie sich einsetzte, desto mehr Anerkennung bekam sie. „Ich zog mein ganzes Selbstwertgefühl aus der Arbeit“, sagte die Pflegekraft. Sie war stolz jahrelang nach dem Motto „Mein Beruf ist mein Hobby“, zu leben. Ihr war nicht bewusst, dass dies die erste Phase eines Burnouts war. Erst nachdem sie anfing, im Stationsalltag Fehler, wie das Vergessen von Anordnungen, oder Unkonzentriertheit bei Medikamentenanrichten zu bemerken, suchte sie sich Hilfe.

Denn auch ihre Familie beklagte sich, dass sie ihre Mutter nur noch selten zu Gesicht bekamen, da sie nur noch zum Schlafen nach Hause kam. Sie besuchte ihre Psychiaterin nur, um weiter in der Klinik funktionieren zu können. Ganze zwei Jahre lebte sie so ihren Alltag weiter, ohne zu merken, dass alle Kontakte zu ihren Freunden verkümmerten. Nach und nach verlor sie den Blick für die schönen Kleinigkeiten im Alltag. Selbst an dem dankenden Lächeln eines Patienten konnte sie sich nicht mehr erfreuen.

 

Der Weg aus dem Tief

 

Erst als Marias Familie, Freunde und Arbeitskollegen intervenierten konnte Maria sehen, wie tief sie sich ihr Burnout Loch gegraben hatte. Allein kam sie dort nicht so leicht raus. Das wurde ihr immer mehr bewusst. Also musste sie um Hilfe beten. Hilfe, die sie dann auch zum ersten Mal annehmen wollte. Von ihrem Arzt bekam Maria eine Krankschreibung, eine „Zwangspause“, in ihren Augen. Ein Zeichen von Schwäche. Die Pause konnte die Negativspirale durchbrechen, in der sie sich befand. Zum ersten Mal seit langem konnte Maria „aufatmen und innehalten“.

Sie reduzierte ihre Arbeitsstunden auf der Station und verbrachte wieder mehr Zeit mit ihrer Familie. Durch Entspannungsmethoden, wie Meditation und autogenem Training, konnte Maria ihre Gedanken wieder selbst leiten. Intensive Psychotherapie half ihr zu verstehen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Es sich selbst einzustehen, war mit das Schwierigste, gab Maria zu. Sich vor Augen zu halten, dass man in eine Spirale geraten ist, aus der es kein Entkommen zu schienen gab, war eine schmerzhafte Erfahrung. Mit richtigem Zeitmanagement gelang es Maria gewissem Stress vorzubeugen und eine echte Work-Life-Balance zu erstellen.  „Ohne meine fantastische Familie, meine Freunde und Arbeitskollegen hätte ich es nicht geschafft, aus meinem Burnout rauszukommen.“

Ein Burnout hat nichts mit Schwäche oder Unfähigkeit zu tun. Es handelt sich um eine Krankheit, eine Art Hinweis des Körpers, dass notwendige Veränderungen am Alltag gemacht werden müssen. Durch Hilfestellungen kann ein Genesungsprozess eingeleitet werden. Bestimmte Verhaltensmuster werden durchbrochen und neue Wege, mit Stress und Krisensituationen umzugehen, werden eingeführt.

Man sollte also auf seinen Körper hören, wenn er um eine Pause bittet.

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